Würden Sie gerne auf diese Nachricht reagieren? Erstellen Sie einen Account in wenigen Klicks oder loggen Sie sich ein, um fortzufahren.



 
StartseiteNeueste BilderSuchenAnmeldenLogin

 

 #5 Nice to meet ya

Nach unten 
AutorNachricht
Anna
Admin
Anna


Anzahl der Beiträge : 183
Anmeldedatum : 23.11.13

#5 Nice to meet ya Empty
BeitragThema: #5 Nice to meet ya   #5 Nice to meet ya Icon_minitime1Mo Dez 02, 2013 7:01 am

„Sara?“, fragte unverkennbar Emmas Stimme hinter mir. Auf dem Fuße drehte ich mich um – sogar ziemlich elegant, wenn man bedachte, dass ich nicht oft hohe Schuhe anhatte. Mit einer hochgezogenen Augenbraue und schiefgelegtem Kopf betrachtete sie mich. Es war so laut in der Disko, dass jedes Reden kaum Sinn machte. Ich winkte nur ab. Sie wollte wissen, was ich hatte, doch meine Gedanken waren nur kurz abgeschweift. Ich hatte an Gabe gedacht. Wir machten momentan gute Fortschritte und so langsam fasste sie Vertrauen in mich. Fast täglich verbrachte ich mehrere Stunden bei ihr, erledigte meine Hausaufgaben bei ihr und danach durfte ich sie auch manchmal ein wenig kuscheln. Die Ausrede „Mein Pferd hat meine Hausaufgaben gefressen“ zog aber immer noch nicht bei meinen Lehrern.
In meinem typischen Topmodel-Schritt, den ich ausschließlich mit hohen Schuhen an den Tag legte, marschierte ich hinter Emma und Lea durch die Menge, die teilweise schon recht betrunken wirkte. Ein Blick auf meine rote Ice-Watch verriet mir, dass es aber erst 23 Uhr war. Dies wiederum bedeutete, dass der Spaß schon in einer Stunde ein Ende hatte – sonst würde ich in den nächsten 2 Wochen leiden und Gabe leider auch. Stallverbot war eine neue Erfindung meiner Mutter. An der Bar schob ich meinen Hintern auf einen der Hocker und kletterte hinauf. Ein Blick von Lea symbolisierte mir „Ganz schön voll hier.“ und der Blick des Barkeepers verriet, dass er schon jetzt keine Lust mehr hatte, doch das stellte ich nur nebenbei fest.

Was genau im Folgenden passierte, wissen bis heute nur wir drei. Meine beiden Freundinnen und ich breiten über diese Sache lieber den Vorhang des Schweigens – man weiß ja nie, wer was an wen weiter plaudert. Die erste Erinnerung, die ich wieder preisgebe war folgende: Ich war gegen eine Laterne geschubst worden. „Aua, Scheißkerl!“, rief ich dem Typen hinterher, der mich so heftig angerempelt hatte, dass ich gegen den Mast gestolpert war. Mit der Hand hielt ich mir die schmerzende Stelle am Kopf. „Hey!“, ertönte da eine kräftige Stimme hinter mir, die ich nicht zuordnen konnte. Der Anrempler drehte sich um. Als ich mich in die Richtung der anderen Stimme umdrehte entdeckte ich einen unheimlich gutaussehenden jungen Mann. So war jedenfalls die Erinnerung. Die Realität war nicht ganz so perfekt, aber auch nicht schlecht. Jedenfalls marschierte dieser geradewegs an uns vorbei und baute sich vor dem Typen auf, der mich angerempelt hatte. „Was denkst du dir dabei meine Freundin anzurempeln und dich nicht einmal zu entschuldigen?“, fragte der Blonde – mein Retter! – ihn mit einem gefährlichen, dunklen Unterton in der Stimme. Auf einmal kam mir mein Retter doch ziemlich… Jedenfalls hatte ich Angst, dass man sich wegen mir noch eine Prügelei lieferte. „Sorry, Tyler. Alles klar, ich werd‘ besser aufpassen…“, brummelte der andere, zeigte aber deutliche Unterwürfigkeit indem er den Blick auf den Boden gesenkt hatte. Mein völlig von Alkohol verwirrtes Gehirn verarbeitete keine dieser Informationen vernünftig, doch als dieser Tyler – wie ich ja jetzt wusste – auf uns zu kam bekam ich doch ein bisschen Angst. Wieso? Er schien ein ziemlich hohes Tier in der Szene hier zu sein und das war man nicht einfach so. Entweder war der Typ höchst gewalttätig oder mega reich – ich hoffte, dass es letzteres war.
Ein Blick zu Lea und Emma und das ungute Gefühl in meinem Magen verstärkte sich. Vielleicht hatte ich in den letzten Jahren ja auch irgendwas verpasst. Ich wohnte ja nun nicht so lange hier. Oder ich war bezüglich Klatsch und Tratsch nicht mehr auf dem neusten Stand. „Hey, ich bin Tyler, aber das weißt du ja jetzt auch. Alles klar bei dir?“, sprach er mich nun an und ich hatte endlich mal Zeit ihn richtig zu begutachten. Dieses Mal dachte mein Gehirn wieder so, wie es sollte, und ich erkannte dass er zwar nicht aussah, wie ein junger Gott, aber doch unheimlich gut. Dunkelblonde Haare, ein leichter Bartansatz, markante Gesichtszüge – alles was jemanden entweder zu einem totalen Hässlon machte oder eben zu einem doch sehr gutaussehenden jungen Mann.
Viel zu spät, wie ich an einem fragenden Ausdruck auf Tylers Gesicht merkte, antwortete ich. „Äh, nein… also, ja, alles okay. Halb so wild. Es könnte sein, dass ich aufgrund des Hörnchens auf meiner Stirn jetzt gehänselt werde, das mein Leben zerstört und ich mit dem Gedanken spiele mich umzubringen, aber sonst ist alles okay.“ Ich zwinkerte ihm zu und fand mein Lächeln gerade wieder – Gott sei Dank! Entweder verstand er nun meinen Humor oder er tat einfach nur so, aber er lächelte zurück. Dann wandte er sich auch an die anderen. „Soll ich euch lieber nach Hause bringen? Ich meine, drei hübsche junge Mädchen ganz allein auf den Straßen von Schillig…“ Weiter musste er es nicht ausführen, da fiel ihm Lea auch schon lautstark ins Wort. „Ja, gern, aber Emma und ich werden gleich von meiner Mum abgeholt. Sara wohnt in der anderen Richtung!“ Gott, wie peinlich dieses Mädchen manchmal sein konnte! Im Nachhinein konnte ich wirklich froh sein, aber in solchen Momenten könnte ich sie wirklich erschießen. Bevor es schlimmer werden konnte, sagte ich: „Ich warte noch auf ein Taxi und dann werde ich es wohl gerade so von der Straße bis zur Haustür schaffen.“ Leas Blick war zerstörerisch. Wenn Menschen durch Blicke töten könnten…

„Ich könnte dich auch fahren…“, schlug Tyler schließlich vor, besann sich allerdings anscheinend dann, wie absurd das klang. Als ob ich in das Auto eines Fremden steigen würde. Wer wusste schon, was er vorhatte, obwohl ich ihm in diesem Moment eigentlich keine schlimmen Taten unterstellen konnte. Ehe ich antworten konnte, hielt ein schwarzer Golf am Bürgersteig – Leas Mutter. Und ich hatte immer noch kein Taxi, wahrscheinlich hätte es geholfen, wenn ich denn eins gerufen hätte. „Tschüssi!“, rief Emma, Lea umarmte mich zum Abschied. „Tyler McAdams, reicher Typ aus Schillig, Abiturient und das wichtigste: unheimlich heiß.“, flüsterte sie mir ins Ohr und setzte dann ein breites Grinsen auf. Mich beschlich das Gefühl, dass sie schon wieder versuchte, mich zu verkuppeln. Dennoch lächelte ich dankend, so hatte ich immerhin ein bisschen Info über den Typen erhalten, der mich wahrscheinlich doch nach Hause bringen würde. Zum Abschied winkte ich noch kurz dem Auto hinterher, das kurz darauf in der Dunkelheit verschwand.
Ich hatte nicht gemerkt, wie kalt es geworden war, auf meiner Haut bildete sich eine Gänsehaut und ich fröstelte. Ganz Gentleman bot mir Tyler seine Jacke an, die ich dankend ablehnte. Ja, er sah gut aus, aber so ein Typ würde sich niemals für ein Mädchen wie mich interessieren. Nach längerem Schweigen legte er mir die Jacke dann einfach über die Schultern. „Das ist ja nicht mit anzusehen.“, kommentierte er diese Geste und blickte mich dann fragend an. „Soll ich dich nicht doch nach Hause fahren? Ich habe noch nichts getrunken, mein Auto steht da drüben und ich verspreche, dass ich mal so tue, als wäre ich einer von den Guten.“ Beruhigend…, dachte ich sarkastisch, doch mir war bewusst, dass ich nicht viele andere Optionen hatte. Also nickte ich nur und ließ mich von Tyler zu seinem Auto führen.
Als ich sein Auto sah staunte ich Bauklötzchen. „Ein Porsche Carrera?“, fragte ich, weil ich nichts anderes zu sagen wusste. Als wäre das Auto völlig egal, zuckte der Blonde die Schultern und öffnete mir die Tür. Voller Ehrfurcht vor diesem Wagen stieg ich ein und versuchte dies möglichst elegant zu tun, was mir anscheinend gelang. Als er auch im Wagen saß, guckte ich ihn an und grinste. „Meine Mutter bekommt einen Herzinfarkt, wenn ich in so einem Wagen vorgefahren werde – das ist noch schlimmer als ein Polizeiauto.“ Tyler lachte ein raues, unheimlich sexy klingendes Lachen und ließ den Motor an.

„Okay, nachdem du ja jetzt in meinem Auto sitzt und ich dich nach Hause fahren möchte, müsste ich noch wissen, wo du wohnst.“, bemerkte Tyler während der Porsche rückwärts aus der Parklücke rollte und auf der leeren Straße dann in Richtung Ortsausgang Neu-Minsen zum Stehen kam. Kurz prüfte ich meine Zurechnungsfähigkeit indem ich ausrechnete was 121 plus 74 waren und kam zu dem Ergebnis 195. „Eh, wir müssen nach Minsen, Störtebeckerstraße 8. Und… danke, dass du mich nach Hause bringst. Vermutlich hätte ich noch Stunden gewartet.“, antwortete ich schließlich. Vermutlich hätte ich, wenn ich mehr getrunken hätte, Anna angerufen. Zwar würde sie mir ähnliches erzählen, wie meine Mutter, aber auf eine nettere Art und Weise. „Alles klar.“ Augenblicklich fuhr der Porsche an, langsam, aber man merkte, wie viel Kraft hinter dem Sportwagenmotor steckte.
„Wenn ich dich schon nach Hause fahre, darf ich dich mal ein bisschen Ausfragen. Du bist noch nicht allzu lange in der ‚Clubszene‘ in Schillig unterwegs, oder?“, setzte Tyler zu einem Gespräch an und ich war dankbar dafür, denn so musste ich das Schweigen nicht mehr ertragen. „Nein, nicht wirklich. Geht ja auch erst seit Dezember bis 24 Uhr.“ Ein Ausdruck des Erstaunens glitt über die markanten Züge, was ich im schummerigen Licht im Auto jedoch nur schwer wahrnahm. „Ich hätte dich für Älter gehalten. Aber kein Wunder heute. Die Mädels aus der 6. Klasse versuchen sich ja schon aufzubitchen, wie die Großen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das früher mal anders war.“ – „Kann durchaus sein. Gehst du auch in Wilhelmshaven zur Schule?“ Ein Lächeln wanderte über sein Gesicht. „‘Ging‘ passt bald besser. Ich bin so gut wie fertig.“ Das hätte ich mir eigentlich auch denken können, was mich dazu veranlasste, innerlich aufzustöhnen. „Und was machst du dann? Oder kommt das jetzt zu aufdringlich rüber?“, hakte ich nach, obwohl ich mir nicht sicher war, ob dieses Gesprächsthema zu dieser Zeit in diesem Auto etwas zu suchen hatte. „Vermutlich studiere ich Management, aber ich wollte mir etwas Zeit lassen. Meinem Vater gefällt das zwar nicht, aber wenn ich schon mit der Schule fertig bin, will ich mal ein bisschen Zeit haben, in der ich mich mehr auf irgendwas anderes als auf’s lernen konzentrieren kann.“ Klang vernünftig. Weil ich nicht die ganze Zeit zu ihm herüber starren wollte, senkte ich den Blick auf meine Beine und zupfte an meinem Kleid herum. „Wie geht’s eigentlich deinem Kopf?“ Mein Kopf fuhr ruckartig zu ihm herum und ich wusste wie es meinem Kopf ging. Ein nervender Kopfschmerz machte sich rund um die Beule breit. „Geht so, aber ich werde es wohl überleben.“ Lächelnd fuhr er an den Bürgersteig und hielt den Wagen an. „Wir sind da. Ich… wollen wir vielleicht mal Nummern tauschen? Vielleicht brauchst du ja mal wieder einen Typen mit Sportwagen.“ Mit einem frechen Grinsen schaute er mich an. „Klar.“, antwortete ich, auch weil ich wusste, dass Lea mich umgebracht hätte, wenn ich verneint hätte. Also kramten wir beide unsere Smartphones heraus und tauschten Nummern.
„Danke für’s Nachhausebringen. Ohne dich stände ich immer noch auf dem Bürgersteig.“ – „Kein Problem.“ Und das war’s. Ich drehte mich um und ging durch den Vorgarten zur Haustür und Tyler fuhr das Fenster hoch und brauste mit dem Porsche davon. Ich konnte nicht anders als dem Sportwagen hinterherzugucken. In meinem ganzen Leben hätte ich nicht gedacht, so früh mal in so einem Auto zu sitzen. Naja, eher in so einem Auto neben einem so jungen Mann. Es war eine traurige Wahrheit, dass die meisten Porschefahrer alte Säcke waren, die sich einen Lebenstraum erfüllt hatten.

„Was ist denn mit dir passiert?!“, rief meine Mutter aus, als ich die Küche betrat. Ihr Gesichtsausdruck war ziemlich geschockt, aber ich war nicht zu viel fähig. Erstens war ich noch zu müde, zweitens hatte ich schon lange aufgegeben mich zu rechtfertigen. „Keine Panik, keine Prügelei, nur eine Laterne. Dabei sollten die Leute wissen, dass man seine Laternen reinholt, wenn ich auf die Straße gehe.“, brummelte ich vor mich hin und plumpste auf einen Küchenstuhl. Dann schnappte ich mir ein Brötchen und begann einfach zu frühstücken. Nach einer halben Schweigeminute setzte sich meine Mutter dann auch zu mir.
Nach dem Frühstück wurde ich tatsächlich mal zum Stall gebracht – aufgrund der Beule. Deshalb beschloss ich, jede Woche gegen eine Laterne zu laufen. Allerdings war das auf Dauer nicht machbar, zu großer Verlust von grauen Zellen. In Hotpants, T-shirt und Chucks marschierte ich auf den Hof und sah mich kurz nach bekannten Leuten um. Es war Samstag, 11 Uhr, deshalb war schon einiges los. Vom Putzplatz winkte Anna mir zu, die gerade Uncut absattelte. Neben ihr stand Kira mit Secret. Doch ich ging nicht zu ihnen, sondern wandte mich sogleich in Richtung Offenstall. Zwischen dem alten Hofhaus und dem Paddockstall ging es hindurch und dann um den Paddockstall herum zum Offenstall.

Sonnenbeschienene Pferderücken standen auf dem Paddock. Die ganze Szenerie vermittelte das Gefühl von Frieden, doch ich wurde sofort hellwach als ich mitten zwischen den Pferden den einzigen Schimmel in der Herde entdeckte. „Gabe!“, rief ich sie und strahlte sie an. Schon ewig schien sie nicht mehr draußen gewesen zu sein und erst jetzt merkte ich, wie sehr sie sich in letzter Zeit verändert hatte. Ihre Hüftknochen schienen nicht mehr so markant zu sein und auch ihr gesamter Körper, ihr Fell wirkte gesunder. Die braunen Seelenspiegel der Stute musterten mich und die Sonne ließ sie strahlen. Ich hätte nie gedacht, diese Stute jemals so schön zu finden, aber das war sie – wunderschön. Sie wirkte so glücklich wie noch nie. Vor Glück merkte ich kaum, wie mir eine Träne die Wange hinunter lief und schließlich hinunter auf den Boden tropfte. Wie benommen ging ich einige Schritte vorwärts bis zum Zaun und musste mich daran festhalten. Nur langsam begriff mein Gehirn, was ich geschafft hatte, ich hatte Gabe wieder in die Herde zurückgebracht, ihr neue Kraft gegeben. „Dein Leben ist noch nicht vorbei, es fängt gerade erst an, Gabe.“, flüsterte ich mehr zu mir selbst als zu jemand anderem.
Nach kurzem Überlegen kletterte ich über den Zaun in den Paddock und ging langsam auf die Schimmelstute zu. Sie machte keine Anstalten zu gehen und blieb ruhig, als ich meine Hand an ihre Schulter legte. Die Ohren spielten leicht hin und her, achteten auf mich und die anderen Pferde. „Wollen wir heute mal ein wenig gehen, Kleine? Vielleicht gefällt dir ja mal ein bisschen mehr Bewegung.“, schlug ich flüsternd vor und sogleich bekam ich ihre Aufmerksamkeit. Vorsichtig schwang ihr prächtiger Kopf zu mir herum und sah mich aus den dunklen, schimmernden Augen an. Das sah ich als Zustimmung. „Na, dann los!“ Ich ging einfach voran in die Box und hoffte, dass die Stute mir folgte. Doch sie tat es nicht und so holte ich mir nur Strick und Halfter. Als ich wieder bei Gabe war, schob ich meine Hand auf ihren Nasenrücken und zog sie sanft zu mir herunter. Vorsichtig zog ich das Halfter über ihre Nase und die Ohren und schloss es. Der Strick war schon eingehakt, also konnte es jetzt losgehen. Am langen Strick ging ich vorweg und als ich keinen Widerstand spürte, merkte ich, dass sie mir folgte. Allerdings folgte uns auch der gesamte Rest der Paddockpferde und es dauerte gefühlte Stunden, den Paddock zu verlassen. Letztendlich musste ich Gabe durch das Tor quetschen, sie dort abstellen und den Rest der Pferde zurückdrängen. Doch der Gehorsam den der Schimmel leistete war beeindruckend und ich konnte beim besten Willen nicht verstehen, warum man sie aufgegeben hatte. Ja, sie war nicht mehr die Jüngste, aber ich war mir sicher, in ihr den perfekten Partner gefunden zu haben, den ich nie wieder aufgeben würde.
Dann konnten wir endlich losgehen. Langsam setzten wir uns in Bewegung in Richtung des Roundpens. Dort konnte ich erst einmal ein wenig mit ihr arbeiten und schauen, was heute mit ihr anzufangen war. Die Stute schien den kleinen Ausflug zu genießen und schaute sich interessiert um. Ich erkannte sie kaum wieder, so voller Lebensfreude und Interesse war sie. Das gab mir neue Hoffnung, sie eines Tages vielleicht sogar noch einmal auf einem Turnier vorstellen zu können. In der Ferne auf der Weide standen mehrere Pferde – ich erkannte jedoch nur den Schecken Pablo. Dieser stieß ein freudiges Wiehern aus und sah zu uns herüber. Ehe ich mich versah hob Gabe den Kopf und antwortete mit einem hellen Wiehern. Pablo riss daraufhin den Kopf in die Höhe und galoppierte buckelnd zum Zaun. Dort blieb er stehen und schaute interessiert zu der für ihn unbekannten Stute hinüber. Aber Gabe fand ihn schon wieder uninteressant und setzte ihren Weg fort.

Im Roundpen ließ ich sie vom Strick und erst einmal den Sand erkunden. Mit der Nase am Boden bewegte sie sich langsam umher und kam nach einigen Minuten dann wieder zu mir, weil sie anscheinend nicht wusste, was sie tun sollte. Ich wäre vor Glück geplatzt, wäre das möglich gewesen. Noch nie hatte ich so viel Vertrauen von einem anderen Lebewesen mir gegenüber gespürt. Dieses Pferd vertraute mir und ich vertraute ihr. So lange hatte es gedauert, doch nun war es endlich soweit, dass sie mich an sich heran ließ. Vorsichtig legte ich eine Hand an ihren Hals und streichelte sie langsam. „Ich hätte nie gedacht, dass du mich so glücklich machen würdest, Kleine.“, flüsterte ich ihr zu und drückte ihr einen Kuss auf die Nüstern. Vorsichtig trat ich dann zurück und setzte mich in Bewegung. An der Bande des Roundpens schritt ich entlang, der Strick in der Hand. Neugierig folgte der Schimmel mir. Schließlich blieb ich stehen und drehte mich um. „Feines Mädchen!“ Lobend klopfte ich ihr den Hals und kramte dann in meiner Tasche nach einem Leckerli. Wie ich es auch schon bei den Schulpferden gemacht hatte, die ich früher geritten war, fing ich an, sie ein bisschen zu dehnen. Zuerst stellte ich sie in die Mitte, indem ich einfach voraus ging. Da ich immer einige Leckerlis in der Tasche hatte, hatte ich auch viele Möglichkeiten sie heute zu dehnen. Zuerst stellte ich mich an ihre Seite und führte ihr Kinn mit einem Leckerli zur Brust, dort hielt ich sie ein paar Sekunden und gab ihr dann schließlich das Leckerli. Das wiederholte ich noch einmal. Dann stellte ich mich an ihre Schulter und führte ihren Kopf nun zwischen die Vorderbeine. Auch diese Übung wiederholte ich. Nun stellte ich mich an ihre linke Schulter und legte meine rechte Hand an ihren Hals. Mit der anderen lockte ich sie nach hinten, sodass sich ihr Hals dehnen konnte. Das gleiche machte ich noch einmal in die Tiefe und dann auf der anderen Seite.
„Braves Mädchen!“, lobte ich sie und klopfte ihren Hals. Dann stellte ich mich ein Stück vor ihr hin und überlegte, was ich noch mit ihr machen konnte. Eine Longe wollte ich nun nicht holen und ich wollte sie für heute auch nicht wieder völlig mit Arbeit vergraulen. Je länger ich dort stand, desto näher kam Gabe zu mir und schließlich stupste sie mich sanft mit der Schnauze in den Bauch. Ich musste lachen und schlang aus lauter Glück meine Arme um ihren Hals. Erst spannten sich ihre Muskeln an, doch dann entspannte sie sich und legte ihren Hals über meine Schulter. Ich vergrub mein Gesicht in ihrem duftenden Fell und genoss einfach nur ihre Nähe. Es war so wunderbar anders, als ein Schulpferd zu reiten und es dann einfach wieder in die Box zu stellen. Ein Pferd zu besitzen war eben nicht nur Reiten, sondern vor allem Vertrauen aufbauen.

Als ich mich wieder von meiner Stute löste sah ich am Zaun des Roundpens jemanden stehen. Mein Herz blieb kurz stehen, holperte dann aber weiter. „Wa…“, setzte ich an, kam aber nicht weiter, weil ich ihn noch immer anstarrte und es nicht fassen konnte. Mit einer unheimlich sexy und süßen Art strich Tyler sich die eher wuscheligen Haare zurück. „Wenn ich wüsste, warum ich hier bin, würde ich es dir sagen, aber um es kurz zu machen: Ich war bei dir zuhause, aber deine Mutter meinte, du wärst hier, also hab ich mich bis hierhin durchgefragt.“, erklärte er schließlich ruhig seine Anwesenheit. Gabe war sichtlich verwirrt, schien aber auch unzufrieden, dass der Blonde nun mehr Aufmerksamkeit bekam als sie. Mit einem Schnauben trat sie von mir zurück und trabte los. Den Schweif hatte sie hoch erhoben und die Schritte sahen unheimlich elegant aus, als wollte sie mir imponieren. „Oh, ein Konkurrent?“ Tyler grinste frech. „Konkurrentin, und sie ist ziemlich gut darin heute.“, verbesserte ich und grinste zurück. Eigentlich war es mir nicht peinlich, dass ich Pferde machte, aber irgendwie war es mir trotzdem unangenehm, dass der Typ, den ich erst seit gestern kannte, hier auf dem Hof meiner Schwester herumlief. Ich erzählte sowieso nicht vielen, dass ich ritt. Man wurde ja doch nur in Schubladen gesteckt. Andererseits war es jetzt auch zu spät.
Nachdem wir eine Zeit lang geschwiegen hatten, stoppte Gabe ihre Traberei und kam wieder zu mir, sodass ich den Strick einhängen konnte. Das Training war vorbei, aber ein Spaziergang war vielleicht noch drin. Nachdem ich die Stangen und den Elektrozaun geöffnet hatte, führte ich meine Schimmelstute hinaus und blieb dann mit ihr vor Tyler stehen. Während ich ihn anblickte, versuchte ich möglichst nicht zu zeigen, wie laut und schnell mein Herz schlug. „Kommst du noch kurz mit? Ich war noch nicht so lang dabei und ein kurzer Spaziergang würde uns vermutlich allen gut tun.“, fragte ich und lächelte verschmitzt. „Na schön.“, willigte er ein und setzte sich an meine linke Seite, als ich losging. Ich steuerte das kleine Wäldchen an, das nah am Hof lag. Ich wusste zwar nicht, wie schreckhaft Gabe war, doch da sie einmal Vielseitigkeitspferd gewesen war, schätzte ich sie nicht sonderlich schreckhaft ein.
„Du hättest mich auch anrufen können, wenn du mich hättest sehen wollen.“, bemerkte ich schließlich und blickte Tyler fragend an. „Das hab‘ ich getan, aber man muss auch an sein Handy gehen.“ Er lachte kurz auf und sah dann zu Gabe, die gelassen neben mir herging. „Dein Pferd?“ Ich nickte nur und legte meine Hand an den Hals der Schimmelstute. Ihre Anwesenheit verlieh mir das Selbstvertrauen, das mir ansonsten gefehlt hätte. Ich war zwar nicht schüchtern, aber von Menschen wie Tyler doch irgendwie eingeschüchtert. Er war gutaussehend, anscheinend ziemlich wohlhabend und hatte auch noch Interesse an mir. Wenn ich es mir recht überlegte, zeigte nicht mal mein bester männlicher Freund so viel Interesse. „Ganz hübsch, aber in nicht besonders gutem Zustand.“, kommentierte er nun und warf einen prüfenden Blick zu der Schimmelstute herüber. „Wieso… Nein, also: Du verstehst was von Pferden?“ – „Ja, das kriegt man einfach mit, wenn man seit man klein ist zum Polo geschleppt wird.“ Ein „Oho“-Ausdruck legte sich auf meine Züge und brachte ihn zum Lachen. Augenblicklich wandelten sich meine Züge und ich blickte ihn fragend an. „Nichts nichts. Wir waren bei der Geschichte der Kleinen. Und, wie sieht‘s aus? Möchtest du meinen Horizont erweitern?“, lieferte er mir auch schon die Vorlage um eine längere Erzählung zu beginnen, aber ich versuchte, mich kurz zu halten. „Sie ist erst seit Februar mein Pferd und vorher stand sie ausschließlich. Aufgrund einer Verletzung wurde sie ausgemustert, obwohl sie noch reitbar ist. Anna hatte sie gekauft, weil sie noch eine Zukunft für sie sah. Und schließlich kam ich und Anna hat sie mir angeboten. Sie sah so hilflos und traurig aus und es mag jetzt typisch Mädchen klingen, aber ich konnte nicht anders, als mir ihrer anzunehmen. Das ist jetzt der erste Tag, an dem ich richtig mit ihr arbeite.“ Sichtlich beeindruck schwieg Tyler eine Weile. „Das war wirklich unglaublich von dir. Ich meine, wer kauft heutzutage noch ein Pferd das so aussieht, wie das hier.“ – „Hey! So schlecht sieht sie nun wirklich nicht aus!“, rief ich empört aus, lachte aber dabei und boxte ihn sanft gegen die Schulter. Beschwichtigend hob er die Hände. „Okay, ich nehm‘s zurück.“

Nachdem ich Gabe wieder in ihre Box gebracht hatte, saßen Tyler und ich in der Sonne auf den Stufen des Haupthauses. Mit zusammengekniffenen Augen schaute ich hinauf zum Himmel. Es war fast keine Wolke am Himmel und die Sonne strahlte erbarmungslos. Ich war froh, dass ich mir heute nichts Längeres angezogen hatte. „Und was machen wir jetzt?“, fragte ich schließlich, ohne meinen Blick vom geschäftigen Treiben auf dem Hof abzuwenden. „Hm, was willst du denn machen?“ Ich zuckte nur die Schultern. „Also wenn es immer nach dem gehen würde, was ich wollte, würde ich jetzt auf irgendeinem Pferd über den Strand galoppieren. Aber was macht man denn so, wenn man du ist an einem Sonntag?“ Das entlockte ihm wieder ein Lachen und ich musste mich ermahnen, nicht schon wieder daran zu denken, wie unheimlich sexy und süß ich ihn doch fand. „Das willst du nicht wissen, es würde jegliche Illusion zerstören.“, witzelte er vor sich hin. Nun wandte ich meinen Blick wieder zu ihm und musterte ungewollt auch den Körper, der sich unter dem dunkeln T-shirt abzeichnete. „Okay, halten wir fest, dass du Sonntags der totale Langweiler bist und nur so tust, als wärst du interessant.“, stellte ich meine These vor und grinste frech. „Ja, tun wir das. Oh, Moment! Sind wir schon beim ‚wir‘? Das ist aber schön.“ Mit einem selbstgefälligen Grinsen schaute mich Tyler an und erntete nur einen genervten Blick meinerseits.

Ehe ich etwas erwidern konnte, streifte ein Luftzug meinen Arm. Als ich mich umsah, stand Kayra vor mir und hechelte mich freundlich mit der Rute wedelnd an. „Hallo, meine Süße.“, sagte ich in dem typischen ‚Ich spreche mit einem Hund, den ich mag‘-Ton und nahm ihren Kopf sanft zwischen meine Hände. Dabei strich ich durch ihr wuscheliges weiches Fell und drückte ihr dann einen leichten Kuss auf die Stirn. Als wollte sie diese Geste erwidern schleckte sie mir mit ihrer feuchten warmen Zunge über meine Wange. „So viel Zuneigung ist man von der ja sonst nicht gewohnt.“, stellte eine Stimme oben an den Treppenstufen fest. Mit einem Grinsen drehte ich mich zu Anna um, die mich kurz anlächelte und dann Tyler musterte. Erst war ihr Gesichtsausdruck etwas zerknautscht und ich fragte mich, was sie wohl von ihm hielt, doch dann hellte sich ihre Miene wieder auf, wie man es von ihr gewohnt war. „Hi, ich bin Anna, Saras Halbschwester.“, stellte sie sich vor und schritt die Treppe hinab. Sie hatte ihre Jeansreithose an und ein petrolfarbendes Top, das ihre helle Haut noch mehr hervorstechen ließ. Die Fähigkeit auch im Sommer noch vollkommen ungebräunt zu sein, mussten wir von unserem Vater haben. Tyler stand auf, wie man es von einem mehr oder minder gut erzogenem jungen Mann zu erwarten hatte und schüttelte Annas ausgestreckte Hand. „Tyler McAdams. Schön, Sie kennen zu lernen.“ Etwas mehr Farbe als gewohnt schlich sich in Annas Wangen und ich musste mir ein Grinsen verkneifen. „Wenn wir uns auch ‚Du‘ einigen können, genehmige ich deinen Umgang mit meiner Schwester.“ Sie zwinkerte ihm mit einem kecken Lächeln zu. „Schön, gefällt mir auch besser.“ Vor wenigen Sekunden war der Blonde noch angespannt gewesen, jetzt löste sich der Schein wieder und er wurde so… wie er anscheinend sonst auch war – tiefenentspannt, locker und immer zu einem frechen Spruch aufgelegt. Dann wandte sich Anna aber auch schon wieder zum Gehen. „Meine anderen Pferdchen warten auf mich. Bis... morgen, schätze ich mal.“ Leicht hob sie die rechte Hand und lächelte mir dann noch einmal zu, dann ging sie in Richtung der Weiden und Kayra trabte ihr hinterher.

„Ich find sie nett.“, sagte er als wollte er nur seine Gedanken wiederholen und mich daran teilhaben lassen. „Sie ist auch nett. Und meine Schwester, also lass‘ dir bloß nicht einfallen, sie nicht nett zu finden.“ Ich knuffte ihn leicht in die Seite und lachte kurz auf. Tyler schüttelte nur grinsend den Kopf. „Niemals würde ich solche Gedanken auch nur in meinen Kopf lassen – ehrlich!“ Kurz machte ich einen gespielt nachdenklichen Gesichtsausdruck und grinste dann. „Schön, glaube ich dir mal.“
Langsam schlenderten wir von den Weiden zurück zum Hoftor. Wir hatten ein wenig die Hengste beobachtet und nun hatte Tyler beschlossen, mich auch seinem Motorrad mitzunehmen. Was genau er dann vorhatte, wusste ich nicht, aber ich ließ es einfach mal auf mich zukommen. Normalerweise war ich abweisender und auch nicht so… ich vertraute nicht jedem Jungen gleich von Anfang an. Aber dieser hier hatte eine beunruhigende Wirkung auf mich. Ehe wir jedoch seine Maschine erreichten, kam uns Emily entgegen. Sie wirkte erst etwas erstaunt, lächelte mich dann aber freundlich an. „Hi, Sara.“ – „Hey.“, antwortete ich schlicht. Das dunkelhaarige Mädchen blieb stehen und wir taten es ihr gleich. Und schon wieder sprach ich in ‚wir‘ von uns. Ach, verdammt!! Kurz wandte ich mich zu Tyler und wedelte dann passend zu meinen Worten mit der Hand herum. „Das ist Emily. Emily, das ist Tyler. Ein… Bekannter.“ Ich setzte ein selbstgefälliges Lächeln auf. Das Rollen mit den Augen des 18-jährigen entging mir natürlich nicht, doch es entfachte nur noch mehr die Sympathie, die ich für ihn empfand. Emily guckte Tyler etwas schüchtern an, sagte aber nichts. Ich nutzte die Gelegenheit, um ein anderes Thema anzusprechen. „Was machst du heute noch mit deinen Dreien? Irgendwelche besonderen Pläne?“ Doch Emily schüttelte nur den Kopf, sagte dann aber noch: „Nichts wildes eben. Vielleicht reite ich noch aus, weiß noch nicht. Ich muss dann auch los.“ Und schon war sie weg. Kurz blickte ich ihr hinterher und schaute dann zu Tyler, der nicht mehr neben mir stand, sondern bei seinem Motorrad und mir einen Helm hinhielt.
Mit etwas skeptischer Miene beäugte ich diese Höllenmaschine. „Na, komm schon. Ich fahr auch langsam.“, versuchte er es in einem Ton, der beruhigend klingen sollte. „Wenn du Pech hast, werde ich schreien. Ich wollte es dir nur sagen.“ Kurz lachte ich auf und setzte denn den engen Helm auf. Eleganter als gedacht, schwang ich mich hinter ihn auf das Motorrad. Jetzt war es offiziell: Ich war übergeschnappt! Und meine Mutter würde mich umbringen… Aber Scheiß drauf! Meine rebellische Ader bestand auf diese Motorradfahrt. Als er langsam anfuhr machte mein Herz einen Satz, doch ich beruhigte mich sofort wieder, weil ich ihm vertraute. Meine innere Stimme redete kontinuierlich auf mich ein, sodass ich nicht anders konnte als Vertrauen in ihn zu haben.

Die Fahrt war kurz – zum Glück. Ich war kurz vor unserem Ziel fast soweit total auszuflippen. Nicht, weil Tyler schlecht oder halsbrecherisch fuhr. Nein, ich hatte nur entdeckt, dass ich Angst vor Motorrädern hatte. Und vor allem vor dem viel zu freien Gefühl, das man dabei hatte. Autos waren okay, aber das war dann auch schon alles. Zum Glück hatten wir aber unser Ziel erreicht und ich vergrub die Zehen im nassen Sand und schaute auf die aufgewühlte Wasserfläche. Der leichte Wind ließ ein paar Haarsträhnen tanzen und wehte sie mir ins Gesicht. Ich steckte sie wieder hinter meine Ohren und blickte dann zu Tyler, der neben mir stand und ebenfalls auf das Meer schaute, als würde es im nächsten Moment etwas enthüllen. „Warum sind wir eigentlich hier?“, fragte ich schließlich und legte leicht den Kopf schräg. Der Blonde zuckte die Schultern und ich dachte er würde schweigen, doch dann setzte er doch zum Sprechen an. „Ich mag es hier. Niemand stört einen hier – meistens jedenfalls. Und es ist ein guter Ort, um Abstand zu allem zu gewinnen.“ So viel Tiefgründigkeit hätte ich gar nicht erwartet und so konnte ich nicht anders als schweigen.
Später saßen wir nebeneinander im Sand und ich hielt mein Gesicht mit geschlossenen Augen in die Sonne, wie eine Sonnenblume, die jeden Strahl auffangen wollte. Ich atmete tief ein und aus und füllte meine Lungen mit dem frischen Meereswind. „Wie spät ist es?“, fragte ich beiläufig und erwartete etwas wie: 13 Uhr. Stattdessen: „15 Uhr und 34 Minuten.“ Schlagartig riss ich die Augen auf und starrte Tyler an. „Bitte sag, dass du mich verarscht! Scheiße, meine Mum macht sich vermutlich wieder total unnötig sorgen.“ Doch er schüttelte nur den Kopf und machte sich dann daran aufzustehen. „Soll ich dich nach Hause fahren?“, fragte er, während er mir die Hand hinhielt, um mir beim Aufstehen zu helfen. „Ja, wäre vermutlich besser, bevor ich noch länger weg bleibe und sich die Freiheitsstrafe verdoppelt…“, sagte ich etwas zerknirscht und ließ mich von ihm hochziehen. „Na dann…“ Er seufzte etwas zu theatralisch und schenkte mir dann ein schiefes Grinsen. Ein Teil meiner selbst wollte gerade verliebt dahinschmelzen, als ich mich wieder darauf besann, dass meine Gefängniswärterin, sich schon fragte, wo ich war. Okay, so schlimm würde es schon nicht werden… hoffentlich.

Der Fahrtwind zog am meinem T-shirt. Meine Motorradangst hatte ich doch noch überwunden. Es war ein unheimlich freies Gefühl und ich ertappte mich dabei, wie ich es genoss, so dicht bei Tyler zu sein und den Fahrtwind zu spüren. Wir könnten zusammen bis weit in den Süden fahren, einfach so. Ans Mittelmeer, nach Spanien oder Italien. Doch so spontan konnte ich nicht sein. Es gab eine Sache, die mich hier behielt – Gabe. Sie war an mich gebunden und ich würde sie nicht im Stich lassen. Für keinen Jungen der Welt, niemals. Meine Liebe zu ihr und ihr Vertrauen in mich waren stärker denn je, stärker als alles andere. Und eines Tages würde der Wind auch so an ihrer Mähne ziehen und wir würden fliegen.
In Minsen wurden wir langsamer und rollten schließlich nur noch, bis wir vor unserer Haustür zum Stehen kamen. Vorsichtig stieg ich ab. Ich setzte den Helm ab und schüttelte erst einmal meine Haare aus. Dann fasste ich sie wieder zu einem Pferdeschwanz zusammen und band das Haargummi darum. Kurz schaute ich ihn unschlüssig an. Wieso sah er nur so gut aus, auf dem Motorrad? Das war ja zum verrückt werden! „Ehm, willst du vielleicht noch mit rein kommen? Damit meine Mum weiß mit was für einem gefährlichen Typen ich unterwegs war.“ Ich zwinkerte ihm grinsend zu. Meine Antwort ließ kurz auf sich warten. „Na schön, ich versuche vertrauenswürdig zu wirken.“ Wir beide mussten Lachen. Es war jetzt schon klar, dass meine Mutter ihn ganz sicher nicht als vertrauenswürdig und vielleicht sogar als gefährlich – im Sinne von schlechtem Einfluss – einstufte. Aber sollte sie doch. Wenn sie ihn kennenlernte war es besser, als mit einem Unbekannten unterwegs gewesen zu sein.
Zögerlich drückte ich auf die Türklingel und als hätte sie hinter der Tür gewartet ging die Tür auf. Doch der dunkelhaarige Mann, der hinter der Tür stand, kam äußerst unerwartet. Mit großen Augen schaute ich in die dunklen Augen in dem mir so vertrauten Gesicht. Ein gutmütiges Lächeln erschien auf dem Gesicht des Mannes. „Hallo, Schätzchen.“ Nach längerem Schweigen gelang es mir endlich auch etwas zu sagen. „Hi, Papa.“
Nach oben Nach unten
https://nebelreiter.forumieren.com
 
#5 Nice to meet ya
Nach oben 
Seite 1 von 1

Befugnisse in diesem ForumSie können in diesem Forum nicht antworten
 :: Unser Leben :: Sara-
Gehe zu: