Würden Sie gerne auf diese Nachricht reagieren? Erstellen Sie einen Account in wenigen Klicks oder loggen Sie sich ein, um fortzufahren.



 
StartseiteNeueste BilderSuchenAnmeldenLogin

 

 #2 Eine unerwartete Neuigkeit - Part 2

Nach unten 
AutorNachricht
Anna
Admin
Anna


Anzahl der Beiträge : 183
Anmeldedatum : 23.11.13

#2 Eine unerwartete Neuigkeit - Part 2 Empty
BeitragThema: #2 Eine unerwartete Neuigkeit - Part 2   #2 Eine unerwartete Neuigkeit - Part 2 Icon_minitime1Mo Dez 02, 2013 6:53 am

"17 Jahre? Echt jetzt?!", fragte ich ungläubig und fummelte an meinem Sicherheitsgurt herum, der sich an einer Naht leicht gelöst hatte – einfach unmöglich nicht daran herumzuspielen. Ein stummes Nicken meiner Mutter. Das brachte mich zum Grübeln. Wie konnte mein Vater, der mir jeden Monat mindestens einen Brief schrieb und mit dem ich oft telefonierte, sich bei seiner ersten Tochter seit 17 Jahren nicht mehr gemeldet haben. Diese Tatsache, ließ meinen Vater in einem neuen Licht erscheinen. Bis jetzt hatte ich immer angenommen, er wäre ein Vorzeige-Dad, dass es besser eigentlich nicht ging, aber jetzt... Doch wahrscheinlich gab es dafür Gründe, die ich nicht verstand. Ich würde ihn wohl mal danach fragen, wenn er anrief.
Bei einem Blick aus dem Fenster erkannte ich Neu-Minsen. Oh, super, sie wohnt in einem kleinen Kaff ganz in der Nähe., dachte ich wenig begeistert. Und was soll mich daran jetzt so begeistern? Mit einem genervten Seufzer stützte ich meinen Kopf mit der Hand ab und starrte wieder aus den Fenster. Die Häuser flogen an uns vorbei und schließlich waren keine Häsuer mehr zu sehen. "Fahren wir jetzt zum Strand oder was soll das werden?", fragte ich, ehe ich eine Weide mit Pferden erblickte. Mehrere Füchse, Braune und auch ein paar Schimmel grasten friedlich im Schnee. Plötzlich wusste ich es. Sie musste ein Pferd hier haben. Okay, jetzt freute ich mich tatsächlich über meine neue Schwester.
Wir fuhren durch das Hoftor und meine Mum parkte Schwungvoll unseren Golf GTI ein. Voller Vorfreude auf den wunderbaren Geruch nach Pferden und Stroh öffnete ich schnell die Autotür und roch sofort, worauf ich gewartet hatte. Der typische Geruch der Pferde und des Meeres umwehte meine Nase und ich fühlte mich sofort zuhause. Vielleicht war es übertrieben, zu sagen, man fühlte sich zu hause, wenn man noch nie zuvor an einem Ort war, doch allein die Gedanken an das Schnauben und Rascheln in den Ställen, der Dampf, der von einem gearbeiteten Pferd aufstieg, wenn man es im Winter trocken ritt, und all diesen kleinen Dingen, die man von diesen großen, sanften Tieren bekam ließ mich mich hier zuhause fühlen.

"Hallo, Beate!", ertönte die Stimme einer jungen Frau, die zu uns herüber joggte. Beate? So hieß meine Mutter. Und wenn diese Frau den Namen meiner Mum kannte, musste das Anna sein. Auf das Gesicht meiner Mutter breitete sich ein Lächeln und sie ging zu der Blonden, die ein paar Meter vor unserem Auto stehen geblieben war. Skeptisch schaute ich zu, wie sie sich begrüßten und kleine Höflichkeiten austauschten, bis Anna sich an mich wandte.
Ihre grauen Augen schauten mich freundlich an und ich starrte nur etwas dümmlich zurück. Was hatte sie erwartet? Was hatte ich erwartet? Und was sollte ich jetzt machen? Na, super, mal wieder völlig planlos. Mach einfach das, was alle machen würden., dachte ich und ging ein paar Schritte auf Anna zu, bis ich vor ihr stand. Sie war ungefähr genauso groß wie ich und die Verwandtschaft zu unserem gemeinsamem Vater, war nicht zu leugnen. "Hi!", sagte sie schlicht, lächelte mich freundlich an und hielt mir die Hand hin. Ich ergriff ihre Hand und merkte ihren angenehm festen Händedruck, wogegen mein Händedruck ziemlich lasch war. Annas Händedruck war fest, wirkte bestimmt und unabhängig, aber nicht so, wie der alter Frauen auf Familientreffen, bei denen man um die eigene Gesundheit und die intakte Struktur seiner Knochen fürchten muss.
Immer noch lag mein Blick etwas verständnislos auf Anna, ab und an schaute ich fragend zu meiner Mutter herüber. "Ich würde vorschlagen,", erhob meine Halbschwester wieder ihre Stimme, "dass Sara und ich uns mal ein bisschen hier umschauen und uns kennen lernen. Sie kann dann aus meinem Büro anrufen, wenn sie abgeholt werden möchte." Geschockt riss ich die Augen auf und schaute zu meiner Mutter. In meinem Blick lag ein 'Bitte, bitte, lass mich nicht allein!'. Es war nicht so, dass ich Angst vor Anna hatte, ich war nur einfach nicht gern mit fremden Menschen allein. Doch meine Mum ließ sich davon gar nicht beirren und verabschiedete sich. Unser Auto verschwand durch das Hoftor und ich war auf mich gestellt.

"Alles klar, dann möchte ich dir mal eröffnen, was der Plan war.", begann Anna wieder zu reden und drehte mich an den Schultern zu ihr, was ich ohne Gegenwehr geschehen ließ. "Ich weiß, dass du hier in der Nähe auf einem Hof Unterricht genommen hast und als ich von unserer Verwandtschaft erfahren habe, wollte ich dir mal die Chance geben, auszuprobieren, wie es ist, ein eigenes Pferd zu haben. Wer weiß, vielleicht kauft ihr sogar eines der Verkaufspferde. Die Boxenmiete würde ich euch sogar spendieren, obwohl ich noch nicht genau weiß, woher ich das Geld nehmen soll, dass ich dafür eigentlich bekommen müsste. Aber wir sind schließlich verwandt!" Mein Herz machte einen Freudensprung, den ich mir aber nicht anmerken ließ. Stattdessen war ich immer noch wie versteinert und konnte nicht antworten. Mann, diese Verwandtschaft war fast wie ein 6. im Lotto für mich!
Schließlich fand ich meine Stimme doch wieder. "Das ist furchtbar nett von dir, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll... Ich meine, wir kennen uns ja kaum, aber ich hoffe, dass wir uns kennen lernen können in der nächsten Zeit." Ich rang mir ein Lächeln ab und dann ging es auch schon los.
Anna zeigte mir erst einmal den Hof und ich verschaffte mir einen kleinen Überblick über die große Anlage. Zwar hatte ich schon wieder kurz nachdem wir einen Ort verlassen hatten vergessen, was wir davor gesehen hatten, aber das würde ich mit der Zeit schon lernen. Auf dem Weg zu einer der beiden Reithallen, die für alle Zwecke verwendet werden konnten, trafen wir auf eine Dunkelhaarige Frau mit einem hübschen jungen Hengst, der etwas aufgekratzt wirkte. "Hallo, Vivi!", rief Anna ihr zu und winkte. Vivi blieb stehen und wartete, bis wir bei ihr waren. "Hey, Anna, und wer ist das?", fragte sie neugierig, aber freundlich. "Du wirst es nicht glauben, aber das ist meine Halbschwester Sara. Mein Vater hat tatsächlich nochmal geheiratet und ein weiteres pferdeverrücktes Kind in die Welt gesetzt." Anna lachte, doch kurz sah ich etwas in ihren Augen auf blitzen, dass ich nicht einordnen konnte. Trauer? Wut? Doch so schnell wie es gekommen war, war es wieder weg. "Hi.", gab ich jetzt von mir und lächelte Vivi schüchtern an, dann schlich mein Blick zu dem großen Braunen. Er schaute zu Anna und mir, ein Ohr hing jedoch noch immer bei Vivi und lauschte auf ihre Worte. "Freut mich für euch beide, dass ihr euch gefunden habt. Aber warum hast du mir das nicht vorher erzählt?", neckte die Dunkelhaarige Anna und fügte dann hinzu: "Viel Spaß noch mit unserer Herrscherin." Ein letztes Zuzwinkern und ein Grinsen in Richtung Anna und dann setzte Vivi auch schon ihren Weg fort.
"Vivi ist Mitbesitzerin des Hofes und mittlerweile eine meiner liebsten Freundinnen.", erklärte mir Anna und schob mich dann leicht mit der Hand auf meinem Rücken vorwärts, ehe wir nun auf einen der Ställe zu steuerten.

"Star!", erklang die helle Stimme meiner Halbschwester fast im ganzen Stall und ein paar Pferde scharrten und schnaubten in ihren Boxen einschließlich Annas Warmbluthengst Canadian Star. Er war ein hübscher Kerl, das musste ich zugeben. Allerdings hatte ich noch nie das Vergnügen gehabt mit einem Hengst Umgang zu Pflegen und deshalb war ich etwas skeptisch. "Mein Star ist ein ganz Lieber also keine Angst. Ich dachte, dass er der Richtige von meinen 4 Chaoten für dich wäre. Natürlich nur zum ausprobieren, denn hergeben würde ich ihn niemals." Ein glockenhelles Lachen erklang neben mir, es erinnerte mich fast ein wenig an mich selbst. Vermutlich waren wir uns sogar ähnlicher, als ich es jemals bemerken oder zugeben würde. Ohne, dass ich irgendwelche Einwände vorbringen konnte, drückte mir meine Schwester auch schon ein Lederhalfter in die Hand und öffnete sie Boxentür. Langsam trat ich näher und Star streckte mir seine Nase entgegen. Vorsichtig hielt ich ihm meine Hand hin und seine Tasthaare am Maul kitzelten meine Handfläche. Sanft legte ich meine Hand auf seine Nase und fühlte seinen Atem und die weiche Haut rund um das Maul. Ich atmete tief durch und trat dann in die Box. Star war kein Riese, aber groß genug, dass ich nicht über ihn hinweg gucken konnte. Neugierig stupste mich der Braune an und suchte mich nach Leckerlies ab, wobei er meine Jacke, die eigentlich nicht für den Stall gedacht war, besabberte. Egal., dachte ich schmunzelnd und fasste dann um seinen Kopf herum, um ihn soweit herunter zu ziehen, dass ich das Halfter anlegen konnte. Ich zog beide Ohren einzeln unter dem Nackenriemen des Halfters hervor und schloss es dann mit dem Karabiner. Den Strick legte ich über den Hals des Hengstes und ließ mir dann von Anna einen Hufkratzer geben. "Huf!", sagte ich bestimmt, als ich seine linke Vorderhand mit der Hand herunter gefahren war und mich leicht gegen seine Seite lehnte. Bereitwillig gab er mir den Huf, ich kratzte ihn vorsichtig aus und genauso verfuhr ich mit den anderen Hufen.
Nun nahm ich den Strick von Stars Hals und führte ihn auf die Stallgasse. Dort band ich ihn auf Annas Anweisung gegenüber von seiner Box an und folgte ihr dann zur Sattelkammer. Dort holten wir aus ihrem Fach alle Sachen, die wir brauchten – Putzkasten, ein Satz Bandagen und schon einmal Trense und zu meiner Erleichterung ein paar Dreieckszügel. Ich ritt zwar schon eine ganze Weile, doch wenn es darum ging, dass ein Pferd vernünftig den Kopf herunter nahm, war ich eine Niete. Vermutlich war ich auch eher der Freizeitreiter, als ein großer Turnierreiter und deshalb fand ich es auch gar nicht so schlimm, dass ich es einfach nicht vernünftig hin bekam.

Als erstes löste ich alle Gurte der Stalldecke des Hengstes, zog sie herunter und legte sie in die Box in eine Ecke. Anna reichte mir eine Abschwitzdecke und ich warf sie Star über. Nun schnappte ich mir einen Gummistriegel und begann die Stellen zu Putzen, wo die Haare noch lang waren – in der Sattellage und auf dem Rücken entlang. Den Rest putzte ich nur mit einer langhaarigen weichen Würzelbürste, mit der ich auch den restlichen Dreck auf der Sattellage entfernte. Mit einer etwas kurzhaarigeren Bürste putze ich dann noch die Beine gründlich sauber. Da der Braune ein ziemlich reinliches Pferd zu sein schien und die Boxen auch sehr sauber waren, hatte ich auch nicht besonders viel Dreck zum wegputzen. Zuletzt bürstete ich Mähne und Schopf mit einer Mähnenbürste und verlas den langen Schweif. „Sehr schön.“, kommentierte meine Schwester, die an der Wand lehnend meine Arbeit verfolgt hatte. „Ich geh schon mal den Sattel holen und du kannst ja mit den Bandagen anfangen. Weißt du wie man Bandagiert?“ Auf diese Frage nickte ich nur – natürlich wusste ich, wie man Bandagiert. Also verschwand die Blonde kurz und ich machte mich mit den Bandagen an Bein Nr. 1. Ich setzte in der Mitte zwischen Fesselkopf und Karpalgelenk an und arbeitete mich nach unten und dann wieder herauf. Die Bandage ließ sich gut wickeln und mit einem Klettverschluss verschließen. Genauso verfuhr ich mit den anderen Beinen und war im Handumdrehen fertig. Währenddessen hatte Anna schon den Sattel aufgelegt und fertig vergurtet. Anscheinend traute sie mir zu, dass ich das auch allein konnte und ließ es sich deshalb nicht zeigen. Der Sattel war wunderschön. Im Schulbetrieb ritt man hauptsächlich auf VS-Sätteln, aber das hier war ein Dressursattel mit Ledergurt und sogar einem Lammfellschoner, der wirklich gut aussah und nicht wie manche dieser komischen Lappen, die man manchmal sah. Es musste traumhaft sein auf diesem Sattel zu sitzen und ich würde es gleich. Vorfreude kennzeichnete mein Gesicht mit einem glücklichen Lächeln und ich nahm mir sofort die Trense, um schneller zum Reiten zu kommen.
„Halt, halt!“, bremste mich jedoch Anna sanft aus und blickte mich dann fragend an. „Haben wir nicht was vergessen? Helm, Stiefelletten, Chaps?“ Ein fragender Blick meinerseits zurück, ich verstand nicht. Seufzend marschierte Anna in die Sattelkammer und kam Sekunden später mit ein paar Stiefelletten, Chaps und einem Reithelm zurück. Die Steifelletten passten ganz gut und auch die Chaps schienen wie für mich gemacht. Den Helm musste ich jedoch etwas weiter stellen, damit ich meinen Pferdeschwanz zwischen Helm und dem Feststellding hindurch ziehen konnte. Dann machte ich ihn fest und konnte jetzt Trensen. Kurze Zeit später fand ich mich in der Mehrzweckhalle wieder.

„Ich lass dich mal machen und setz' mich ins Stübchen. Musik?“, erklärte Anna und zog dann fragend eine Augenbraue hoch. Ich nickte glücklich und hoffte, dass Annas Musikgeschmack ganz okay war. Aber sie war nicht so viel älter als ich selbst, deswegen würden sich unsere Geschmäcker nicht so sehr unterschieden. Kurz sah ich ihr noch hinterher, dann holte mich eine weiche Pferdenase an meinem Po wieder zurück zu meiner Aufgabe. „Bist ein guter Junge, Star.“, sagte ich sanft und ließ meine Hand über seinen Hals gleiten. Ich hielt kurz inne und wandte mich dann den Dreieckszügeln zu, die ich erst einmal im ersten Loch ließ. Danach stellte ich noch die Bügel ein und gurtete nach – schon konnte es los gehen. Ich wusste, dass ich bei Star vorsichtiger sein musste, als bei Schulpferden, deshalb nahm ich die Zügel nicht allzu sehr auf und zog mich dann vorsichtig in den Sattel. Die Bügel passten und so nahm ich die Zügel leicht auf und drückte dann sanft meine Schenkel an den festen Bauch des Braunen. Doch das war wohl auch schon ein bisschen zu viel, er riss kurz schockiert den Kopf nach oben, doch ich nahm ihm sofort etwas Druck und schon nahm er den Kopf hinunter und schritt eifrig und ruhig voran.
Kurze Zeit später hörte ich ein leises Knacken und kurz darauf erklang auch schon Musik - „This is Love“ von will.i.am und Eva Simons. Das bestätigte meine Vermutung, dass Annas Musikgeschmack meinem glich. Ich konnte so etwas nicht den ganzen Tag hören, doch zum Reiten war House und Dance gut geeignet wegen der klaren Bässe, die dem Trabrythmus glichen.
Nach etwa 10 Minuten trabte ich nun endlich an, nachdem ich die Abschwitzdecke weg gelegt hatte. Aus den Boxen dröhnte gerade „Feel the Love“ von Rudimental, was mich einerseits verwirrte, weil schon wieder 'Love' im Titel vorkam, andererseits aber gut passte, da der Rhythmus meines Erachtens gut zu einem flotten Trab passte. Also nahm ich nun leicht die Zügel auf und trieb vorsichtig vorwärts. Die ersten Trabschritte blieb ich noch sitzen, doch dann fand ich mich in Stars Rhythmus ein und trabte leicht. Sein Trab war wunderschön federnd, ganz anders als der mancher Schulpferde, die mit der Zeit einfach abgestumpft waren.
Es war nicht schwer den Hengst mit ein paar Paraden an den Zügel zu bekommen und so hingen die Dreieckszügel kurze Zeit später ein wenig durch und der große Braune suchte die Anlehnung an den Zügel und an mich. So gut gelang es mir bei unseren Schulpferden nie! Im leichten Trab ritt ich viele Biegungen, ich hatte schließlich die ganze Halle für mich, und ließ Star auch geistig arbeiten. Zwar war er das wohl gewohnt – ich traute Anna einiges zu – doch diese Gewohnheit wollte ich ja nicht schleifen lassen. Im Rhythmus der Musik ritten wir durch die Bahn, wechselten auch ein paar mal die Hand und ich lernte immer besser, die Hilfen, die ich geben konnte, einzusetzen.
Nach ausgiebiger Trabarbeit saß ich schließlich aus. Es war etwas schwieriger Star auszusitzen, weil sein Trab doch recht schwungvoll war, doch schnell merkte ich, dass ich mich einfach nicht versteifen durfte und mitschwingen musste. Es klappte ganz gut und ich versuchte mich an einigen Lektionen, die der Hengst als ein Pferd, das in Dressur L ausgebildet war beherrschen musste. Als erstes versuchte ich mich an Schulterherein. Ich drückte also seine Hinterhand an die Bande und stellte den Hals und die Vorderhand in die Bahn. Dabei verlagerte ich mein Gewicht nach innen und drückte mit dem inneren Schenkel die Hinterhand nach außen. Das machte Star keinerlei Probleme und ich beließ es nach zwei langen Seiten dabei. Später wollte ich noch andere Lektionen ausprobieren, doch nun wollte ich auch einmal seinen Galopp ausprobieren.

Mein Herz pochte wie wild, als ich auf den Zirkel ging und dann vorsichtig zur geschlossenen Zirkelseite die Hilfe gab. Mit einem kräftigen Sprung fiel der Braune in den Galopp und ich ließ ihn ordentlich vorwärts gehen. Die ersten drei Runden blieb ich auf den Zirkel, lenkte ihn dann aber auf den Hufschlag hinaus und ließ ihn ganze Bahn gehen. An der langen Seite ließ ich den Hengst dann etwas zulegen, fing ihn aber bevor wir die Ecke erreichten wieder ein. Sein Galopp ließ sich einfach traumhaft sitzen und nach treiben musste man kaum – ausfallen würde er nicht. Ich saß selten auf so großen Pferden und genoss die Geschwindigkeit. Schade war nur, dass ich keinen VS-Sattel und kürzere Bügel hatte, denn dann wäre ich wohl im gestreckten Galopp und im leichten Sitz durch die Halle geprescht.
Ab und an machte ich jedoch Pausen und übte dann ein paar Trab-Galopp und auch Schritt-Galopp-Übergänge, die Star widerstandslos ausführte – er war einfach klasse, doch man musste sich natürlich erst an ihn gewöhnen und an die feine Hilfengebung. Das „Buffen“, wie man es bei manchen Ponys machen musste, damit sie mal aufwachten, wäre bei dem Warmblut wohl ein fataler Fehler.
Als mein Blick nun wieder zur Uhr ging, sah ich, dass ich schon fast eine Stunde geritten war und es auch schon fast 18 Uhr war – ich war eben auch erst um 16 Uhr hier angekommen. Also parierte ich Star zum Schritt durch und ließ die Zügel länger. An der Bande holte ich mir die Abschwitzdecke ab und bemerkte einen jungen Mann, der an der Tür zum Stübchen lehnte sich mit Anna unterhielt. Als sich unsere Blicke trafen, lächelte ich schüchtern und er hob kurz die Hand und lächelte zurück. Da ich die Dreieckszügel gelöst hatte, hob Star den Kopf und schaute über die Bande. Er ließ ein freundliches Schnauben hören, dann holte ich ihn mit einer Parade und leichten treibenden Hilfen wieder zu mir zurück. Wer konnte das bloß sein? Jedenfalls schien Star ihn gut zu kennen – vielleicht ein Stallbursche? Naja, wenn dann ein Stallbursche mit einer besonderen Vorliebe für den braunen Hengst von Anna.

Als ich mich von Stars Rücken schwang, kamen Anna und der fremde Mann zu uns herüber. Ich klopfte dem Hengst noch lobend den Hals, als Anna begann zu sprechen. „Sah doch ganz gut aus. Verbesserungen sind natürlich immer möglich, aber doch ganz gut.“ Dann wandte sie sich dem Fremden zu und stellte ihn vor. „Und das ist mein Freund Dylan. Lass' dich nicht zu sehr von ihm ärgern.“, sagte sie und blickte den Dunkelhaarigen ernst an. Im Grunde schien er ja ganz nett, aber ich war immer etwas skeptisch gegenüber fremden Männern, obwohl ich wirklich nicht glaubte, meine Schwester wäre mit irgendeinem perversen Arschloch zusammen, was ich aber generell von Männern erwartete, wenn ich sie nicht kannte. Okay, das war vielleicht etwas überdramatisiert, andererseits konnte man nie vorsichtig genug sein. „Hi, Kleine, ich denke mal, bei dir hat der Dicke mehr zu tun als bei mir, aber vielleicht kann ich ja sogar noch von dir lernen.“, meinte Dylan und grinste frech. Eine Frohnatur, na super..., kommentierte mein inneres Ich, doch ich schlug es nieder. Mit solchen Typen konnte ich gut leben und fand sie doch auch eigentlich ganz nett. Und schlecht sah Dylan auch nicht gerade aus. Außerdem waren Kontakte zu Älteren immer gut, wer weiß, was man eines Tages daraus machen konnte.

Zusammen gingen wir aus der Halle und Dylan machte Star Boxenfertig während Anna und ich schon einmal gingen. Die Blonde hatte wohl so ihre Pläne mit mir und ich war gespannt, was sie vor hatte. Wir gingen zum Offenstall und blieben im Gebäude vor einer Box stehen, in der eine weiße Schimmelstute in der letzten Ecke stand, die uns mit Panik in den Augen anblickte. Es war ein trauriger Anblick und es stiegen mir beinah ein paar Tränen in die Augen. In dem Blick der Stute lag so viel Angst und Misstrauen uns gegenüber, dass ich mich fragte, wer ihr etwas so Schlimmes angetan hatte, dass sie so empfand. Ein dicker Kloß saß in meinem Hals und ich konnte nicht sprechen, noch irgendetwas tun. Was hätte ich auch tun sollen? Für dieses Pferd konnte ich nichts tun.
„Das ist unser Sorgenkind Gabriel's Dream oder einfach nur Gabe. Sie ist ein ehemaliges Turnierpferd und ist seit einer Verletzung 'untauglich'.“ Anna malte Anführungsstriche mit den Fingern in die Luft, als sie das Wort „untauglich“ aussprach. Gabe zuckte nur zusammen, als sie die Stimme erhob. „Ich dachte, dass du dich ihr vielleicht annehmen willst, dass du etwas tust, was sonst niemand tun will. Es wird hart sein, aber es wird sich sicherlich lohnen.“ ich nickte nur, schluckte und konnte dann endlich etwas sagen. „Was ist mit ihr passiert?“, war alles, was ich heraus brachte. „Sie hatte einen schweren Unfall und wurde aufgegeben. Heute ist sie 15 Jahre alt und kann durchaus noch einige Jahre gute Arbeit verrichten. Mit viel Training ist sie durchaus noch zu hohen Leistungen fähig und ich will nicht glauben, dass sie niemals wieder Vertrauen zu einem Menschen aufbauen kann. Sie hat ein gutes Herz, auch wenn es für sie schwer ist, das zu zeigen.“, erklärte meine Schwester mit belegter Stimme.

„Ich werde mich um sie kümmern!“, sagte ich mit fester Stimme, die nur so fest klang, weil wir schon einige Minuten aus dem Stall heraus waren. Meine Entscheidung war eine Entscheidung für Gabe und für ihr Vertrauen in den Menschen, in mich. Es würde schwer werden und viel Zeit kosten bis ich ihr überhaupt wieder einen Sattel auflegen konnte. Selbst wenn ich sie niemals Reiten würde, so wollte ich sie nicht aufgeben und ihre restliche Lebenszeit einfach wegschmeißen. Die Schimmelstute hatte etwas besseres verdient.
„Magst du noch mit uns Abendessen? Ich glaube, Dylan wollte heute Spaghetti Bolognese kochen.“, fragte Anna freundlich, doch ich verneinte höflich. Ich hatte Anna schon ihren gesamten Nachmittag geklaut, jetzt wollte ich ihr nicht auch noch ihren Abend klauen. Vielleicht sah sie das anders, aber ich wollte mich auch von den neuen Eindrücken etwas erholen und musste vor allem nachdenken. Die Arbeit mit Gabe würde mir vermutlich alle Kraft rauben und verlangte ein Maß an Optimismus, das es aufzutreiben galt. Ich hoffte, mich auf meine Freundinnen verlassen zu können, dass sie mich unterstützten, wenn ich niedergeschlagen war. Und ich hoffte, dass Gabe mich wenigstens in der nahen Zukunft an sich heran ließ.
Nach oben Nach unten
https://nebelreiter.forumieren.com
 
#2 Eine unerwartete Neuigkeit - Part 2
Nach oben 
Seite 1 von 1
 Ähnliche Themen
-
» #1 Eine unerwartete Neuigkeit - Part 1
» #3 Everything changes - Part 1
» #4 Everything changes - Part 2

Befugnisse in diesem ForumSie können in diesem Forum nicht antworten
 :: Unser Leben :: Sara-
Gehe zu: