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 #3 Everything changes - Part 1

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Anna
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Anna


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BeitragThema: #3 Everything changes - Part 1   #3 Everything changes - Part 1 Icon_minitime1Mo Dez 02, 2013 6:55 am

Sanfte Schneeflocken segelten vom Himmel und landeten weich auf meiner Fensterbank. In Sekunden schmolzen sie auch schon dahin und es blieb nichts zurück als ein kleiner nasser Abdruck. Mein warmer Atem schlug gegen die kalte Scheibe und ließ sie sich milchig färben. Schnell wich ich ein Stück zurück, meine Mutter ermahnte mich immer, nicht an die Fenster zu hauchen und dann an ihnen herum zu malen. Wie lange war es jetzt schon her, seit ich meine Schwester besucht hatte? Es kam mir vor, wie Wochen, aber es war nur ein einziger Tag – eher eine einzige Nacht. Gestern hatte ich Anna kennen gelernt und auch Gabe. Sie hatte mich diese Nacht wach gehalten. Ich hatte mir ausgemalt, was sie durchgemacht hatte, was sie für Erfolge gefeiert hatte und wie es gewesen war, als sie der Schicksalsschlag ereilte. Eigentlich war es ein Wunder, dass man sie nicht eingeschläfert hatte, denn ein Muskelfaserriss dauerte seine Zeit, bis er heilte und man sie überhaupt wieder hätte reiten können. Doch wie man sah, war sie genesen und nun scherte sich niemand mehr um sie – bis auf mich, eine 16-jährige, die keine Ahnung hatte, was man mit solch verängstigten, fast verstörten Pferden machte. Aber ein Versuch war es Wert! Ich wollte sie gar nicht Reiten, ich wollte sie einfach als meine Freundin gewinnen und...

"Sara, Frühstück ist fertig!", rief meine Mum von unten und unterbrach damit meine Gedanken. Zum Glück, sonst wäre ich noch auch dumme Gedanken gekommen oder hätte den ganzen Tag die schmelzenden Schneeflocken betrachtet. Langsam ließ ich mich von meiner Fensterbank hinab auf den Fußboden und machte mich auf den Weg nach unten in die Küche. Ich war schon seit geschätzten zwei Stunden wach und saß seit einer Stunde angezogen auf der Fensterbank. Träume – schöne und böse – hatten mich wach gehalten, wobei ich mit den schönen Träumen gut hätte leben können. In langsamem Trab ging ich die Treppe hinunter und schlenderte in die Küche.
Meine Mutter war wie immer gut gelaunt. Manchmal fragte ich mich, wieso das so war, doch dann verwarf ich den Gedanken, weil ich gar nicht darüber nachdenken wollte, ob sie nicht einfach nur mir gegenüber immer so war, um eine Maske beizubehalten, die über die Jahre immer mehr zu einer geworden war. "Und, gut geschlafen?", fragte sie fröhlich und setzte sich an den gedeckten Tisch. Stumm schüttelte ich meinen Kopf und ein paar blonde Haarsträhnen umflatterten meinen Kopf, wie gefangene Vögel, deren Käfig man einmal kräftig geschüttelt hatte. Lustlos ließ ich mich auf meinen Platz plumpsen und blickte trübselig in meinen Kaffee. Mit dem Löffel rührte ich ein paar Male um und nahm dann den ersten Schluck. Zum Glück versuchte meine Mum keine Konversation zu beginnen, die sowieso nur mit Kopfnicken oder -schütteln meinerseits bestanden hätte, während sie mir ihr Leben erklärte und was heute so anlag.
Ich gab mir Mühe, meinen Kaffee schnell auszutrinken, dann schnappte ich mir zwei Äpfel und noch zwei Schokoriegel aus der Obstschale und einem der Schränke, packte alles in eine Tüte und ging damit in mein Zimmer.

Ich machte mir gar keine Hoffnungen Gabe irgendwie viel näher zu kommen, deshalb zog ich mir keine Reitsachen an, sondern nur eine Hose, die dreckig werden konnte und meine Stalljacke. Die „Futtertüte“ packte ich in eine kleine Tasche, die mir mein Vater geschenkt hatte. Eine dieser Taschen auf denen Städtenamen standen. Auf dieser stand mindestens 100 Mal „Oslo“. Kein Wunder, wenn er auch in der Nähe von der Hauptstadt Norwegens wohnte und arbeitete. Keine negativen Gedanken über Leute, die nicht in unmittelbarer Nähe sind., ermahnte ich mich und drehte mich auch schon um. Heute würde ich mit dem Fahrrad fahren müssen. Meine Mutter wollte mich jedenfalls nicht immer fahren und musste außerdem in die andere Richtung. (Ein kurzer Abstecher nach Neu-Minsen wäre zwar kein Beinbruch gewesen, aber man wollte ja, dass ich selbstständig wurde.)
„Ich bin dann weg! Bis nachher!“, rief ich, als ich schon in der Tür stand. Auf eine Antwort wartete ich nicht, ich knallte die Tür zu und holte dann mein Fahrrad aus der Garage. Das Wetter war wirklich alles andere als optimal zum Fahrradfahren, aber ich hatte ja keine andere Wahl.
Der kalte Winterwind schmerzte auf der Haut und wehte mir ständig meine Haare ins Gesicht. Der Weg bis zum Hof war verdammt lang, verdammt kalt und verdammt langweilig. Geschätzt waren es wohl gute 3 Kilometer ohne irgendein Zeichen der Zivilisation – nur Kühe und Schafe... eigentlich mehr Kühe!

Mein Atem ging schwer, als ich mein Fahrrad an die Hauswand des Haupthauses lehnte. Tief atmete ich die kühle Luft ein, in der der Geruch von Pferden und Salzwasser lag. Das war für mich schon jetzt der Geruch von Heimat, hier fühlte ich mich wohl, in der Gesellschaft dieser vielen sanften, temperamentvolle, sensiblen, wundervollen Geschöpfe. Beschwingt von dem Gefühl zu hause zu sein ging ich mit federnden Schritten über den Hof zu den Ställen. Es war erst halb 11, doch schon jetzt war einiges los. Am Putzplatz stand jemand, den ich nicht kannte mit einem hellbraunen Araber, bei einem Blick in den Paddockstall sah ich ein weiteres unbekanntes Gesicht. Die junge Dunkelhaarige holte gerade einen großen Fuchs aus dem Stall und war wohl auch auf dem Weg zum Putzplatz. Einerseits wäre es vielleicht sinnvoll, Kontakte zu anderen Leuten auf dem Hof zu Knüpfen, aber ich wollte jetzt erstmal zu meinem Pflegepferd, das ich vielleicht sogar kaufen würde – ich musste nur noch meine Mutter davon überzeugen.
Ich ging im Schnellschritt an den Paddocks vorbei und erblickte flüchtig ein paar Pferde, die friedlich beieinander standen. Zwei Braune putzten sich gegenseitig das Winterfell, das nicht geschoren war. Doch dann ließ ich meinen Blick wieder nach vorn wandern und erblickte schon den Offenstall. Die Boxentür von Gabe stand offen, doch ich sah sie nicht draußen. Kurzerhand kletterte ich über den Zaun, des großen Paddocks und erntete ein paar verwunderte Blicke, der Vierbeinigen Bewohner des Stalls, die gerade draußen standen. Als ob sie noch nie einen Menschen gesehen hätten. Ich verdrehte die Augen und ging dann zu der Box der Schimmelstute. Vorsichtig lugte ich hinein. Ihr Kopf hing depressiv nach unten und sie machte definitiv nicht den Eindruck, den ich einem glücklichen Pferd gewohnt war. Dieser Anblick ließ mein Herz schwer werden und die kurze Freude, die in mir aufgekommen war, zerfiel wie ein Kartenhaus, zerplatzte wie eine Seifenblase.

Ich verschloss die Außentür und ging dann hinein, dafür kletterte ich wieder über den Zaun, doch die Pferde hatten sich schon jetzt daran gewöhnt, dass ich keine herkömmlichen Ein- und Ausgänge benutzte. Im Stall war es still, bis auf das übliche Rascheln, das in Pferdeställen nicht wegzudenken war. Irgendein Pferd knabberte oder bewegte sich immer. „Gabe.“, sprach ich die Stute vorsichtig und mit leiser Stimme an. Sie zuckte merklich zusammen und hob den Kopf. Ihre misstrauischen Augen starrten mich an, die Nüstern waren angstvoll geweitet. Ich musste den Kloß in meinem Hals herunterschlucken, ehe ich näher trat und an der Boxentür stehen blieb. Zwischen mir und der Schimmelstute lagen noch etwa 2 Meter Abstand, der größtmögliche Abstand, den diese recht große Box erlaubte. Es war zwecklos, sich ihr aufzudrängen, sie würde nur Angst bekommen und ein Pferd, das mit Angst in der Falle saß, war unberechenbar. Deshalb musste sie auf mich zu kommen, doch dafür brauchte es eine Basis an Vertrauen, die ich noch nicht aufgebaut hatte.
Langsam, um Gabe nicht zu erschrecken öffnete ich die Boxentür und setzte mich dann in den Spalt, lehnte mich einfach an die Trennwand, zur nächsten Box. Meine Tasche bettete ich auf meinem Schoß. Der Boden unter meinem Po war natürlich arschkalt und meine Mutter hätte mich ermahnt, dass ich nur wieder krank wurde, wenn ich dort sitzen blieb, doch die war ja nicht hier. Von meinem Posten aus, beobachtete ich Gabriel's Dream. Ihr Blick lag nicht mehr auf mir, sondern wieder auf dem Boden. Allerdings war trotz allem ihre gesamte Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Sobald ich auch nur mein Gewicht verlagerte und dabei ein Geräusch machte, schnellten ihre Ohren zu mir herum, um sicher zu gehen, ob ich nicht vielleicht näher kommen wollte.

„Hey, Kleine!“, begrüßte mich auf einmal eine tiefe Männerstimme in freundlichem Ton. Ich wandte mich ruckartig um und sah Dylan, den Freund meiner Halbschwester, nur wenige Meter von mir entfernt an der Stalltür lehnen. Dass er mich immer „Kleine“ nannte, wurmte mich ein wenig, aber der Dunkelhaarige war ja auch viel älter und auch körperlich viel größer als ich. „Kannst du nicht ein bisschen... vorsichtiger sein? Die Kleine ist ja sowieso schon traumatisiert, da muss man sie nicht durch solche lauten Begrüßungen aus dem Konzept bringen.“, brachte ich mit leiser, aber ärgerlicher Stimme heraus. Dann wurde meine Miene aber wieder milder und ich lächelte sanft. „Was machst du eigentlich so früh hier? Musst du nicht arbeiten oder so?“, fragte ich neugierig und schaute mir Dylan einmal von oben bis unten an. Er war muskulös, groß, hatte breite Schultern und wirkte grundsätzlich wie der Typ Mann, der vor Diskotheken stand und Security spielte (obwohl es da auch Ausnahmen gab). Grinsend schüttelte Dylan den Kopf. „Arbeiten muss ich schon, aber jetzt gerade noch nicht. Ich hab heute Nachtschicht und darf mich auf Abruf mit betrunkenen Kleinkriminellen beschäftigen.“ Polizei! Die Glocken in meinem Kopf schlugen Alarm und mir wurde bewusst, dass ich noch gestern darüber spekuliert hatte, ob mir die Bekanntschaft zu Dylan irgendwelche Vorteile bezüglich Partys und Alkohol brachte. Als ob du schon mal wirklich Alkohol getrunken hättest., gab meine innere Stimme ihren Senf dazu und hatte natürlich Recht, aber man konnte ja nie wissen.
„Das kommt jetzt... überraschen.“, sagte ich die Wahrheit und sah einfach nur weiter zu Dylan, der langsam auf mich und Gabes Box zu kam. Er verstand schon etwas von Pferden, das musste ich zugeben. Vorsichtig ließ er sich neben mir nieder und blickte stirnrunzelnd in die Box. „Und du bist dir sicher, dass die die Richtige für dich ist?“, fragte er und zog eine Augenbraue leicht in die Höhe. Ich nickte nur bestimmt und kramte dann in meiner Tasche nach dem Apfel. Als sich meine Hand um die kühle Schale schloss, richtete ich mich auf. Der dunkelhaarige junge Mann tat es mir gleich und trat ein Stück zurück. „Da du jegliche Annäherungsversuche für heute unterbrochen hast, werde ich ihr wenigstens noch etwas hier lassen.“, meinte ich und legte den Apfel in die Futterkrippe der Schimmelstute, dann schloss ich die Boxentür. Ohne weiter auf Dylan zu achten ging ich aus dem Stall und ließ Gabe für heute wieder sie selbst sein, ohne mich als Nervensäge.

„Und hast du schon irgendwelche Fortschritte gemacht?“, fragte Dylan interessiert und stellte die Tasse Kakao auf dem Tisch ab. Wir saßen im Reiterstübchen in der Mehrzweckhalle und konnten durch die Fenster Anna mit ihrem Fuchshengst Uncut beobachten, der gerade ein wenig bockte und nicht wirklich das wollte, was Anna gern von ihm gehabt hätte. Als ich zur Tasse griff und sie mir langsam herüber zog, schüttelte ich zur Antwort den Kopf, setzte dann aber doch noch Worte dahinter. „Nein, aber das war der erste Tag. Ich denke, in einer Woche wird sie vielleicht ein wenig näher kommen.“ - „Wow, du bist ganz schön geduldig für eine 16-jährige.“ Ich runzelte sie Stirn und blickte ihn grinsend an. „Danke.“ Nun zeichnete sich auch auf Dylans Gesicht ein Grinsen. Er setzte sich mir gegenüber und blickte dann durch die Fenster in die Halle. Zögerlich nahm ich einen Schluck von meinem Kakao und verbrannte mir gleich die Zunge. Ärgerlich verzog ich das Gesicht.
„Hat irgendwer hier auf dem Hof Erfahrung mit schwierigen Pferden?“, fragte ich schließlich, als ich die Tasse wieder abgestellt hatte. Dylans graue Augen schauten mich an und er strich sich mit einer Hand nachdenklich über den Ansatz eines Drei-Tage-Bartes. „Mir fällt spontan nur unsere Pferdeflüsterin Aylien ein. Sie hat wohl früher mit Vollblütern gearbeitet und da es nicht ungewöhnlich ist, dass in Vielseitigkeitspferden auch mal ein bisschen temperamentvolleres Blut steckt, würde ich sie fragen.“ Ich war verblüfft und das zeigte sich auch in meinem Gesicht. „Jetzt erzähl mir nicht, dass in dir ein Pferdeexperte steckt.“, meinte ich und lachte kurz auf. Der Dunkelhaarige schüttelte grinsend den Kopf. „Nein, aber man erfährt schon ziemlich viel, wenn man auf einem Pferdehof lebt und die Freundin kaum ein anderes Thema kennt. Am Anfang nervt es ein bisschen, aber man gewöhnt sich dann doch dran.“

Dylan hatte mir einen Anstoß in die richtige Richtung gegeben – dachte ich jedenfalls. Doch als er ging, weil er noch irgendetwas zu tun hatte (ich hatte es auch kurz nachdem er weg war wieder vergessen), fragte ich mich, ob ich überhaupt jemanden um Hilfe bitten wollte. Vielleicht wollte ich es einfach auch allein schaffen. Ich hatte schließlich alle Zeit der Welt. Wenn es nicht klappte, könnte ich immer noch diese Aylien fragen. Erstmal wollte ich alles auf mich zukommen lassen, ich hatte ja auch erst einen Tag mit Gabe verbracht.
„Sara!“, rief mich jemand aus der Reithalle und meine Blick schwirrte kurz wie ein gefangner Vogel herum, ehe ich zum Fenster sah. Anna stand mit Uncut am Zügel davor und grinste. Sie zeigte auf den Hengst und zog fragend eine Augenbraue hoch. Wollte sie etwa, dass ich mich auf den 4-jährigen draufsetzte? Das konnte sie vergessen. Ich schüttelte nur grinsend den Kopf, trank dann den Rest meines Kakaos aus, der schon kalt war und ging dann aus dem Stübchen. Meine Halbschwester kam gerade mit ihrem Fuchshengst aus der Halle und schnappte sich einen Hufkratzer, um den Sand aus dem Hufen zu Kratzen. „Und, wie lief es mit Gabe?“, fragte sie mich in gewohnt positivem Ton, als hoffe sie auf eine gute Antwort, doch ich musste sie enttäuschen. „Nicht so gut. Sie hat mich kaum eines Blickes gewürdigt, doch ich denke, das braucht einfach Zeit.“, antwortete ich also und schaute der Blonden dabei zu, wie sie sorgfältig den linken Hinterhuf auskratzte. „Ja, das stimmt. Sie hat lange kein Vertrauen mehr in einen Menschen haben können, dafür wird sie umso mehr Vertrauen finden, wenn du dir Zeit nimmst.“ Ich nickte nur schweigend.
Als Anna fertig war, machten wir uns auf den Weg zum Hengststall, wo sie Uncut an band und ich ihr half, ihn fertig für die Weide zu machen. Trotz meines Optimismus bezüglich Gabe, war ich doch ein wenig niedergeschlagen. Eigentlich war ich überhaupt nicht der geduldige Typ und das nagte doch sehr an mir. „Hey, nimm's nicht so schwer, dass Gabe nicht sofort zu dir kommt. Sie hat viel durchgemacht und braucht einfach Zeit.“, versuchte mich meine Schwester aufzumuntern, doch so richtig half das auch nicht. Schweigend strich ich mit einer Wurzelbürste über Uncuts fuchsfarbendes Fell und fühlte mit der anderen Hand die Wärme, die der junge Hengst ausstrahlte. Eines Tages wollte ich auch so ein schönes Pferd besitzen. Wenige Augenblicke später verwarf ich diesen Gedanken wieder. Ich hatte ein wunderschönes Pferd, auch wenn es noch nicht zum Vorschein gekommen war. Gabe war eine erstklassiges Sportpferd, nur waren ihre einstigen Besitzer vom Glauben an sie abgefallen, doch ich wusste, sie war stark. Wenn sie es nicht war, würde ich für sie stark sein. Ich musste entschlossen sein und durfte nicht wieder einknicken. Anna und wahrscheinlich auch alle anderen auf dem Hof, würden mir helfen.
„Hast du eigentlich schon andere Leute vom Hof kennen gelernt?“, fragte Anna schließlich, während sie Uncut seine Weidedecke auflegte. Ich schüttelte nur den Kopf. Sie zog die Stirn kurz in Falten und lächelte dann. „Na dann los! Stell dich einfach mal vor, sonst nervst du mich nachher täglich.“, forderte sie mich lächelnd auf und machte eine scheuchende Handbewegung. Grinsend schüttelte ich den Kopf, trollte mich dann aber doch davon, auf der Suche nach neuen Gesichtern.

Langsam schlenderte ich über den Hof. Wenn ich Leute treffen wollte schienen mir die Reithallen und die Ställe am besten. Als erstes machte ich mich auf zur Mehrzweckhalle. Mittlerweile hatte es wieder stark angefangen zu schneien und es sah so aus, als würde der Schnee auch liegenbleiben. Na, das konnte ja was werden. Ich mochte Schnee, aber zu viel? Naja, solange ich noch mit dem Fahrrad nach hause kam war alles gut.
Tatsächlich war gerade jemand in der Mehrzweckhalle und hatte mit einem Schimmelhengst zu kämpfen. Der Hengst bockte und blieb teilweise einfach stocksteif stehen. Durch vorgeben der Zügel löste die Reiterin den Schimmel wieder aus der Starre und trieb ihn sanft weiter vorwärts. Doch keine 5 Meter weiter sah das Pferd auf einmal etwas, das es erschreckte und sprang erschrocken zur Seite. Darauf folgte eine buckelnder Galopp, den die Dunkelhaarige jedoch schnell wieder in einen gelösten, lockeren Galopp verwandelte. Wie gebannt schaute ich zu. Ich war fasziniert von der Kraft und der Schönheit des Arabers. Ich stand eine ganze Weile an der Bande und beobachtete das Duo. Als die Reiterin ihren Hengst schließlich zum Schritt parierte und die Zügel etwas länger ließ, bemerkte sie mich und kam zu mir. „Hi, ich bin Emily.“, stellte sie sich freundlich vor und deutete dann auf den Hengst. „Und das ist Camael.“ Ich guckte fast etwas schüchtern, besann mich dann aber auf mich selbst. Ich war nie schüchtern. „Ich bin Sara. Hauptberuflich Schülerin, nebenberuflich Annas Halbschwester und Hobbypferdeflüsterer.“ Emily guckte kurz etwas fragend und lachte dann kurz auf. „Interessant, ich wusste gar nicht, dass Anna eine Schwester hat. Du bist aber ein ganzes Stück jünger als sie, oder?“ Ich nickte. „Ja, unser Vater hat neu geheiratet, deshalb. Ich bin 16 und du?“, antwortete ich und blickte fragend zu Emily hinauf. „Ich auch, das ist ja witzig.“, gab sie zurück und lächelte erfreut. „Und um welches Pferd kümmerst du dich? Also ich nehme mal an, dass das ein Muss ist bei der Familie.“, fragte Emily und zog eine Augenbraue hoch. „Gabriel's Dream.“, antwortete ich in recht neutralem Ton. „Oh, wow, hast du sie schon anfassen können?“ - „Nein, zu ängstlich. Aber ich hoffe, dass ich sie spätestens in einem halben Jahr vernünftig am Halfter führen kann, wenn nicht sogar auf ihr sitzen kann.“ Emilys Miene sprach Bände. Sie war verblüfft über das, was ich gesagt hatte. Anscheinend hatte sie nicht gedacht, dass ich so weit in die Zukunft dachte. Vielleicht war es auch einfach die Tatsache, dass nicht viele 16-jährige sich mit solchen Pferden befassten, die nicht reitbar schienen.
„Na dann wünsch ich dir viel Glück mit ihr. Ich muss jetzt Camael trocken reiten, sonst holt er sich noch was weg.“, sagte sie abschließend und trieb dann den Araber wieder vorwärts. Ich murmelte noch ein kurzes „Tschüss“ und verschwand dann aus der Halle.

Als ich hinaus ging erhaschte ich noch einen Blick auf die Uhr. Es war schon fast eins und das sagte mir auch mein Magen, der so langsam mal wieder was zu essen vertragen könnte. Während ich gerade auf dem Weg zurück zum Hengststall war, rief mich jemand und ich drehte mich auf der Stelle einmal um mich selbst, bis ich den Ausgangspunkt der Stimme fand. Es war Dylan, der gerade aus der hinter dem Hengststall hervor kam und zu mir herüber joggte. „Was gibt’s?“, fragte ich beschwingt. „Anna lässt fragen, ob du Lust hast, mit uns zu essen... also, jetzt gleich. Ich hab gekocht, deshalb.“, erklärte der Dunkelhaarige sich und fuchtelte dabei ein wenig mit den Händen gestenhaft in der Luft herum. „Äh, okay... klar, warum nicht.“, stotterte ich vor mich hin. Damit hatte ich nicht gerechnet und irgendwie war es mir auch ein bisschen unangenehm, aber wenn man mich schon fragte. „Na dann, komm mit. Anna bringt noch eben Uncut raus und kommt dann nach.“
Etwas überrumpelt folgte ich Dylan einfach ohne weiter darüber nachzudenken. Wir betraten das Hofhaus durch ein schönes Eingangsportal, das in einen altmodisch eingerichteten Flur mündete. „Hier kannst du deine Jacke aufhängen.“ Annas Freund zeigte mir eine Garderobe und nahm mir dann die Jacke ab, obwohl das irgendwie seinen Worten widersprach. Zusammen gingen wir dann hoch in die Wohnung in der zweiten Etage, die Dylan und Anna bewohnten. Es war schön hell und recht modern eingerichtet. Für mich wirkte es fast ein wenig, wie diese kleinen Ferienwohnungen, die man an der Nordsee mieten konnte, aber viel persönlicher. An den Wänden hingen Bilder von Dylan und Anna, Annas Pferden und einem Schimmelpony mit einem kleinen blonden Mädchen darauf. „Ist das Anna?“, fragte ich und zeigte auf das Bild. „Ja, das ist sie. Da war sie ein bisschen jünger als du, vielleicht 14. Und das Pony ist Cloud, eine Stute, die Anna sehr geprägt hat, denke ich. Sie erzählt gern von ihr, frag sie einfach mal.“, erklärte Dylan und schob mich dann leicht vorwärts. Er lenkte mich in die kleine Küche, in der es nach Pfannkuchen duftete.
„Setz dich ruhig, wo du magst.“, sagte er und machte sich an der Pfanne und dem noch rohem Teig zu schaffen. Ich beobachtete ihn eine ganze Weile und musste feststellen, dass Dylan durchaus Ahnung vom Kochen zu haben schien. Okay, Pfannkuchen konnte fast jeder machen, aber es sah trotzdem ziemlich gut aus. Natürlich war auch nicht davon abzusehen, dass Dylan im allgemeinen ziemlich gut aussah und ich Männer, die Kochen konnten, auch sehr anziehend finde – vielleicht, weil ich einfach nicht kochen konnte. Kurze Zeit später erschien dann aber auch Anna in der Tür. Ihre Haare waren etwas verwuschelt durch den Reithelm und ihre Mütze, was irgendwie niedlich aussah. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, da an einer Seite ihr Haare wild zu Berge standen und an der anderen doch noch ziemlich glatt waren. Fragend hob sie eine Augenbraue, ehe sie begriff und wie wild die Haare glatt strich. „Hilft nichts!“, lachte ich schließlich und meine Schwester gab auf. Lachend ließ sie sich auf die Küchenbank fallen und rutschte neben mich.

„Und, wie hat es heute mit Gabe geklappt?“, fragte Anna und schob sich dann ein großes Stück Pfannkuchen in den Mund. Da ich gerade kaute, zuckte ich nur mit den Schultern. Dylan sprang für mich ein, er hatte mich ja auch schließlich gestört und schon ausgefragt. „Die Kleine macht nicht sonderlich viele Fortschritte, jedenfalls jetzt noch nicht. Aber deine kleine Schwester scheint sehr ehrgeizig zu sein.“ Etwas verlegen über das Lob lächelte ich den Freund meiner Schwester an und schluckte. „Sie braucht eben Zeit.“, meinte ich schlicht, aber ein leichter Anflug von Missmut schwang in meinen Worten mit. Anna nickte nur zur Bestätigung. Danach aßen wir eine Weile schweigend, bis Anna wieder das Wort erhob. „Hast du heute Nachmittag und heute Abend schon was vor?“, fragte sie mit einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen. Ich hob nur eine Augenbraue und blickte kurz fragend zu Dylan, der nur mit den Schultern zuckte. „Nichts schlimmes. Ich dachte, wir gehen mal ein wenig für deine Kleine einkaufen und dann könnten wir zusammen noch eine DVD gucken oder so. Natürlich nur, wenn du Lust hast?“ Etwas nervös kaute meine Schwester auf ihrer Unterlippe, doch als ich schließlich nickte, breitete sich ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht aus. „Also ich würde mich freuen. Meine Mum stresst mich sowieso nur, wenn ich mal zu hause bin.“, sagte ich und musste dann kurz erleichtert auflachen. Ich mochte meine Halbschwester wirklich sehr und ich merkte, dass sie sich wirklich Mühe gab, die Zeit, die wir uns nicht gesehen hatten, irgendwie aufzuholen. Im Grunde hatte ich ja nicht einmal gewusst, dass es Anna gab.
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